Ausgestattet mit Spazierstock, Rucksack und Phonograph begab sich 1905 ein junger Komponist aus Budapest auf die Reise. Der 24jährige Béla Bartók hatte sich vorgenommen, in den Weiten des damaligen Königreichs Ungarn die authentische Bauernmusik zu erforschen. Das kitschige Gefiedel der pseudo-ungarischen Zigeunerkapellen in Budapests Kaffeehäusern hatte für ihn nichts mit originaler Volksmusik zu tun. Er wollte bei den Bauern selbst durch Schall- und Notenaufzeichnung die überlieferten Volksmelodien und -tänze dokumentieren.
Für Bartók wurde dieses Vorhaben zum Lebenswerk, das ihn Jahrzehnte lang beschäftigte. Er widmete ihm später nicht nur eine vierbändige Anthologie der Volksgesänge seiner Heimat, sondern auch diverse eigene Kompositionen ? vom Volksliedarrangement bis hin zur freien Verarbeitung der Melodien.
Vor 1918 gehörte zu Ungarn auch Siebenbürgen, die teilweise deutsch besiedelte Region im heutigen Rumänien. Auch dort sammelte Bartók Volksmelodien und fasste sie zu der Sammlung Rumänische Volkstänze aus Ungarn zusammen, eine Anthologie, die nicht weniger als 1115 instrumentale Melodien enthält. Sieben von ihnen stellte er 1915 zu einer kleinen Klaviersuite zusammen, die er einem Gymnasiallehrer in Belényes, dem rumänischen Beius, widmete, der ihm bei seinen Volksliedforschungen in Siebenbürgen hilfreich zur Seite gestanden hatte. 1917 arrangierte Bartók diese Klaviersuite wiederum für kleines Orchester, eine Fassung, an die sich andere Bearbeitungen für Streichorchester oder auch Violine und Klavier anschlossen. Wir hören die Fassung für Streichorchester mit Solovioline.
Die Bauern in Ungarn und Rumänien reihten ihre Dorftänze gewöhnlich zu Fünfer- oder Siebenerfolgen auf. Bartók hat den Aufbau einer solchen Folge nachgeahmt. Auf den einleitenden Stabtanz der jungen Männer (Nr. 1) folgt ein Braúl, ein Rundtanz aus Torontal (Nr. 2). Erst danach vereinen sich die Paare zum Stampftanz (Nr. 3). Aus dem Dorf Butschum stammt der folgende Kettentanz (Nr. 4). Die Rumänische Polka ist in Wahrheit ein “Zwiefacher”, ein Tanz, der ständig zwischen Zweier- und Dreiertakt wechselt (Nr. 5). Zwei Schnelltänze beschließen die Serie (Nr. 6). Der erste stammt aus Bihar, der zweite aus Torda. Beide lassen, obwohl rein instrumental, noch die Gliederung solcher Gruppentänze erkennen: Jeweils durch Zuruf wechselte die Konstellation der Tanzenden. Auch sonst ist es der rustikale Charme, die unverstellte Authentizität dieser Musik, die uns in den Bann zieht. Bartóks Rumänische Volkstänze schmecken förmlich nach Dorfschenke.