Quintett Es-Dur für zwei Violinen, Viola, Violoncello und Klavier, op. 44

Robert Schumann
1842
Dauer: 30'
Allegro brillante
In modo d'una Marcia, Un poco largamente
Scherzo, Molto vivace
Allegro ma non troppo

ROBERT SCHUMANN
Klavierquintett Es-Dur, op. 44

Am 8. Januar 1843 erlebte das Leipziger Gewandhaus eine der denkwürdigsten Uraufführungen seiner Geschichte: Robert Schumanns Klavierquintett Es-Dur, op. 44, wurde aus der Taufe gehoben. Seine Frau Clara saß am Klavier, der Konzertmeister des Gewandhausorchesters, Ferdinand David, leitete die Streicher. Es war das erste Kammermusikwerk mit Klavier, das Schumann veröffentlichte. Entstanden war es in einem schwärmerischen Schaffensrausch im Lauf von nur fünf Tagen des Jahres 1842.

Am 23. September hatte Schumann – laut Haushaltsbuch – den ersten “Anflug zu einem Quintett”, am 28. hatte er es vollständig skizziert, zwischen dem 5. und 7. Oktober folgte die Reinschrift. Clara notierte in ihrem Tagebuch: “Die letzte Woche des Septembermonats ist, was unser äußeres Leben betrifft, sehr still hingegangen, umsomehr aber hat mein Robert mit dem Geist gearbeitet! er hat ziemlich ein Quintett vollendet, das mir nach dem, was ich erlauscht, wieder herrlich scheint – ein Werk voll Kraft und Frische!”

Das Quintett war die Krönung von Schumanns “Kammermusikjahr” 1842, das in seiner Vita auf das Liederjahr 1840 und das sinfonische Jahr 1841 folgt und in dem der Komponist außerdem seine drei Streichquartette, das Klavierquartett und die Fantasiestücke für Klaviertrio geschrieben hat.

Das Opus 44 ist insofern das bedeutendste dieser Werke, als es die Gattung des Klavierquintetts erst eigentlich begründete. Trotz erster Ansätze bei Boccherini, Louis Ferdinand von Preußen, Hummel und Schubert hatten sich weder Besetzung noch Gattungsstil bis zu diesem Zeitpunkt konsolidiert. Erst Schumanns Werk wurde in Besetzung (Klavier und Streichquartett) und Anlage zum Vorbild für alle späteren Klavierquintette (Brahms, Franck, Fauré usw.).

Das Werk huldigt der romantischen Hochkultur im Leipzig der 1840er Jahre, sprich: dem Stilideal Mendelssohns, den Schumann abgöttisch verehrte und der an zwei Stellen entscheidend in die Konzeption des Quintetts eingriff. Insofern hatte Franz Liszt durchaus recht, als er 1848 das Schumann-Quintett “leipzigerisch” nannte. Der spöttische Ton dieser Bemerkung löste jedoch – ein halbes Jahr nach Mendelssohns Tod – bei den Schumanns Bestürzung aus. Es kam zum Zerwürfnis mit Liszt.

Im 1.Satz wechseln triumphale Aufschwünge mit zurückgenommenen Passagen ab. Gleich nach dem ersten, feurig-begeisterten Einsatz des Hauptthemas wird die Entwicklung “ins Lyrische umgebogen” (Alfred Beaujean). Auf das schöne Heranlocken des Seiten-themas im Klavier folgt ein träumerischer Dialog zwischen Cello und Bratsche, wobei letztere die Motive des Cellos stets umkehrt. Motivische Arbeit bestimmt auch die Durchführung: Ein Viertonmotiv vom Ende des Hauptthemas durchzieht als Klanggrund des Klaviers in rhythmischer Verkleinerung den gesamten Abschnitt. Zu Beginn der Durchführung gleitet der Ausdruck in tragische Tiefen ab, eingeletet von einem Motiv, das im 2. Satz an entscheidender Stelle wiederkehren wird. In der Reprise und Coda freilich setzen sich wieder die drängende Kraft des Hauptthemas (Schumanns Alter ego Florestan) und die schwärmerische Aura des Seitenthemas (dessen verträumter Gegenpart Eusebius) durch.

Das Adagio, in dem sich für Tschaikowsky, “eine ganze Tragödie” abspielte, beginnt im stockenden Duktus eines Trauermarsches, der von einer zauberhaften C-Dur-Idylle unterbrochen wird. Das tragische Motiv aus dem 1. Satz kündigt Neues an: es ist ein erregter Ausbruch des Klaviers, den Schumann erst nachträglich auf den Rat Mendelssohns hin einfügte. Auf seinem Höhepunkt erscheint über Tremolo das Marschthema wieder, das den Satz auch beschließt.

Das Scherzo überwindet die tiefe Lage des Trauermarsches durch aufstrebende Läufe. Sein Perpetuum mobile wird von zwei Trios gegensätzlichen Charakters unterbrochen, dessen zweites Schumann auf Anraten Mendelssohns austauschte. Das Finale beginnt mit einem Tanz-thema in Moll, das melodisch mit dem Trauermarsch verwandt ist. Der zu erwartende Durchbruch nach Dur wird am Ende des Satzes zweimal hinauszögert, bevor eine Doppelfuge über das Finalthema und das Hauptthema des ersten Satzes das Quintett auf triumphale, “leipzigerische” Weise beschließt.


Quelle: Kammermusikführer

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