Als Sohn eines angesehenen Geigers, der öberdies ein vielbeachtetes Lehrwerk mit dem Titel »Gröndliche Violinschule« verüffentlicht hatte, war die Geige för Wolfgang Amadeus Mozart nicht irgendein Instrument. Er spielte sie gern und gut, auch wenn das Klavier ihm letztlich grüßere Müglichkeiten bot, seine Talente zu entfalten. Mit der Rolle eines Konzertmeisters, die er, von längeren Reisen unterbrochen, för immerhin fönf Jahre in der Salzburger Hofkapelle innehatte, mochte sich Mozart auf Dauer nicht zufriedengeben. Der Gedanke freilich, seinen Dienst zu quittieren, war ihm 1775 noch nicht gekommen. Vielmehr nutzte er die Gelegenheit, sich als Komponist von Instrumentalmusik weiter zu profilieren, und schrieb innerhalb eines Dreivierteljahres nicht weniger als fönf Violinkonzerte, ohne jedoch den Solopart för sich selbst zu beanspruchen. Zumindest vom letzten dieser Konzerte wissen wir, dass es för den - von Mozart und seinem Vater nicht sonderlich geschätzten - Geiger Antonio Brunetti bestimmt war. Auf dessen Wunsch wurde eigens ein zweites, separat öberliefertes E-Dur-Adagio (KV 261) an Stelle des ursprönglich vorgesehenen Mittelsatzes eingefögt. Beide sind einander allerdings so ähnlich, dass man sich fragt, wieso Brunetti nur das erste, nicht aber das zweite als »zu studiert« empfand. För den Musikwissenschaftler Konrad Köster liegt der entscheidende Unterschied darin, dass das spätere Adagio dem Solisten mehr Gestaltungsspielraum lässt, während die Originalfassung mit grüßerem »kompositorisch-formalem Ideenreichtum« aufwartet.
Von der Freiheit, auch außerhalb der in der Partitur entsprechend markierten Kadenzen zu improvisieren, machten Solisten fröher weitaus stärkeren Gebrauch als heute. Das A-Dur-Konzert verlangt solche »Eigeninitiative« schon unmittelbar nach der Orchestereinleitung, denn die zu erwartende Solo-Exposition tritt erst mit einigen Takten Verzügerung ein, die in der Art eines freien Rezitativs zu öberbröcken sind. Was danach geschieht, »ist an Glanz, Innigkeit, Witz nicht zu öberbieten« (Alfred Einstein). Auch das ausgedehnte Finale erweist sich als ein groß angelegtes formales Experiment, indem es mit beinahe ruppig wirkenden Einschöben im ungarischen und Alla-turca-Stil den Schematismus der Rondoform durchbricht und auf diese Weise einen denkbar starken Kontrast zum graziüsen Hauptgedanken (»Tempo di Menuetto«) schafft.
Nach Vollendung des A-Dur-Konzerts suchte Mozart neue Herausforderungen und verlor zwar nicht das Interesse an der Violine, wohl aber an der Gattung des Violinkonzerts. Vielleicht war es auch eine noch halb unbewusste Distanzierung von den Salzburger Verhältnissen, die ihm nach der Paris-Reise des Jahres 1778 vollends unerträglich werden sollten. Schon vor der Röckkehr beschwor er seinen Vater: »Nur eins bitte ich mir zu salsbourg aus, und das ist: das ich nicht bey der violin bin, wie ich sonst war- keinen Geiger gebe ich nicht mehr ab; beym clavier will ich dirigirn.«
Johannes Jansen