Werke, in denen Mozart Streichinstrumente solistisch einsetzt, entstanden vor allem in den Jahren 1773 bis 1779. Von besonderer Bedeutung innerhalb dieses Zeitraumes aber sind die Jahre 1773 und 1775: In diesen beiden Jahren sind die fünf Konzerte für Violine und Orchester sowie einige Einzelsatze für dieselbe Besetzung entstanden. Anlass hierzu war zum einen die längere Anwesenheit Mozarts in Salzburg, die ihn bewogen haben durfte, auf Gegebenheiten und Erfordernisse zu reagieren – schließlich stand er immer noch als Konzertmeister in fürsterzbischöflichen Diensten; zum anderen war nun für Mozart die Möglichkeit gegeben, seine während der dritten Italienreise und eines mehrmonatigen Aufenthaltes in Wien (Juli bis September 1773) gesammelten kompositorischen Erfahrungen auszuwerten. Darüber hinaus hatte Mozart in den Jahren 1773 und 1777 ein besonders enges Verhältnis zur Violine. Immer wieder betätigte er sich als Geiger und trat auch außerhalb Salzburgs mehrfach als Solist auf – etwa in München und in Augsburg zu Beginn seiner Reise im Herbst 1777 nach Mannheim bzw. Paris. So heißt es in einem Brief aus Augsburg vom 23. bis 25. Oktober 1777 an den Vater in Salzburg: ≫hernach speiste ich mit meinem vettern beym hl. kreuz: unter der tafel wurde Musique gemacht, so schlecht als sie geigen, ist mir die Musique in den kloster doch lieber, als das orchestre vom Augspurg. ich machte eine sinfonie, und spielte auf der violin das Concert ex B von vanhall, mit algemeinem applauso auf die Nacht beym soupe spiellte ich das strasbourger-Concert. es gieng wie ohl. alles lobte den schonen, reinen Ton.≪
Damit ist zugleich belegt, dass Mozart seine Konzerte auch selbst gespielt hat. Doch hat er sich auf der Violine offenbar nie so heimisch gefühlt wie auf dem Klavier, und so ist es auch nicht verwunderlich, dass er sich im weiteren Verlauf der Reise – konkret seit dem Aufenthalt in Mannheim – ganz dem Klavier zuwandte. In Salzburg waren im genannten Zeitraum Konzerte und konzertante Musik für Violine offenbar sehr beliebt. Dies zeigen nicht nur die zahlreichen Violinkonzerte, sondern auch die Serenaden und Finalmusiken mit ihren konzertanten Binnensatzen, die solistisch besetzten Divertimenti mit ihren virtuosen Violinparts und die Concertoni. Sowohl unter den Mitgliedern der Hofkapelle als auch unter den Dilettanten müssen sich ganz ausgezeichnete Geiger befunden haben. Einer von ihnen war der Hofmusikdirektor Antonio Brunetti, der nachweislich Mozarts Violinkonzerte gespielt hat. Ob allerdings diese Konzerte, wie oft vermutet, ausdrücklich für ihn komponiert worden sind, muss offen bleiben. Den Violinkonzerten gemeinsam ist die Dreisatzigkeit nach dem Vorbild von Antonio Vivaldi, dessen Concerto-Form offensichtlich auch das Anschauungsmodell für die Aufteilung in Tutti- und Solo-Abschnitte, zumindest in den Kopfsätzen, geblieben ist. Im Übrigen aber hat jedes dieser Konzerte eine ausgeprägte Individualität, ganz abgesehen davon, dass sich von Konzert zu Konzert deutlich eine formal-technische wie musikalisch- inhaltliche Entwicklung beobachten lasst. Stilistisch hat sich in den Violinkonzerten niedergeschlagen, was Mozart an italienischer und französischer, aber auch an böhmischer Violinmusik kennengelernt und produktiv verarbeitet hat. Mit der italienischen Geigenkunst war er zudem aus eigener Anschauung vertraut, hatte er doch 1763 und 1770 Pietro Nardini und 1771 Gaetano Pugnani gehört und, wie Leopold Mozart am 21. April 1770 berichtete, in Florenz 1770 mit dem gleichaltrigen Nardini-Schuler Thomas Linley musiziert (≫der Wolfgang accompagnierte ihm auf die Violine≪). Innerhalb der Reihe der fünf Violinkonzerte lasst sich ein Prozess der künstlerischen Reifung feststellen, der mit den Konzerten in G-Dur K 216, D-Dur K 218 und A-Dur K 219 Hohepunkte erreicht.
Im Violinkonzert D-Dur K 218, entstanden im Oktober 1775, zeigt sich, in welchem Umfang Mozarts Musiksprache bereits entwickelt war. So beginnt der erste Satz mit einem marschähnlichen Unisono, einer von der Mannheimer Schule erfundenen Einleitung mit Dreiklangsbrechungen, genannt ≫Orchestervorhang≪. Mozart aber entwickelt diesen modischen Allgemeinplatz ungemein elegant weiter und integriert ihn in das weitere Geschehen. Die beiden kontrastierenden Themen der Exposition werden in der Durchführung nur gestreift, und die Reprise, die auf die Wiederholung des Satzbeginns verzichtet, gliedert sich recht überraschend in den Verlauf ein. Das zweiteilige Andante in A-Dur lebt von der Ausdruckskraft der Solo-Melodielinie, aber auch von den Dialogen zwischen Bläsern und Solovioline, wobei sich die Oboe als Partner zeitweise besonders hervorhebt. Abwechslungsreich gestaltet sich das Rondo- Finale mit seinen in Charakter, Taktart und Tempo kontrastierenden tänzerischen Abschnitten. Dem Andante grazioso im 2/4- Takt als Refrain folgen Couplets in Form von Allegro-Abschnitten im 6/8-Takt; zwischendurch eingeschoben wird eine neue Melodie nach Art einer Gavotte mit einem volkstümlichen Bordun. Insgesamt bietet das Konzert dem Solisten oder der Solistin viele Möglichkeiten, seine oder ihre Virtuosität und Ausdruckskraft unter Beweis zu stellen. (Christoph-Hellmut Mahling/Astrid Schramek)