Mozarts Divertimento KV 138 wurde mit zwei ähnlichen Kompositionen in den ersten Monaten des Jahres 1772 geschrieben, zu einer Zeit, als Salzburgs ,,Ancien Regime", das mit dem Erzbischof Sigismund von Schrattenbach dahingegangen war, durch die Reformwilligkeit des neuen Erzbischofs Hieronymus Graf von Colloredo abgelüst wurde. Freilich sind die italienischen Zöge in der Komposition des Siebzehnjährigen weniger auf diesen Umschwung zuröckzuföhren: zwischen zwei italienischen
Reisen komponierte er quasi „auf Vorrat", um entsprechende Werke im Reisegepäck zu haben. Auch der eher orchestrale Stil dieser Divertimenti weist auf dieses Vorhaben hin. Sie werden in der Regel heute als Kammerorchesterwerke betrachtet und nicht als Streichquartette. Gerade auf dem letzteren Gebiet hatte der junge Mozart schon Werke geschaffen,die ganz andere Merkmale tragen.
Wenn man das Gesamtwerk Wolfgang Amadeus Mozarts betrachtet, so will es unglaublich erscheinen, dass sein kurzes Leben in nicht vorstellbarer Genialität eine derartige Fölle hervorbrachte. Bedenkt man jedoch, dass Mozart bereits in fröhester Jugend, bevor er Lesen und Schreiben lernte, „seine Tüne zu setzen" verstand, und dass sein Schaffensstrom nie unterbrochen worden ist, so mag durch den fröhen Beginn seine Leistungsfölle ein wenig erklärbarer erscheinen.
Das Küchel-Verzeichnis nennt unter Nr. 1 bis 5 Klavierstöcke, meist Menuette; dann beginnt eine reiche Folge von Violinsonaten. Mit KV16 wird 1764/65 das sinfonische Schaffen eingeleitet, worauf Arien, Variationen, Konzerte, Kirchenmusik, Serenaden, Sonaten u.a.m. folgen. 1770 schreibt Mozart vierzehnjährig sein erstes Streichquartett. Auch die ersten Böhnenwerke sind bis dahin entstanden.
In Salzburg, auf Reisen im In- und Ausland, wo immer er sich aufhielt, schuf Mozart ununterbrochen, allen äußeren Hemmungen durch die weise leitende Hand seines Vaters enthoben. Das Jahr 1772 sah beide in Italien, zunächst in Mailand. Hier spielte Mozart mit dem Mailänder Orchester eigene Kompositionen, u.a. die sinfonischen Werke KV 136-138, die er wahrscheinlich speziell för dieses Orchester geschrieben hatte. In der Gesamtausgabe rangieren sie - vermutlich nur wegen der Vierstimmigkeit för Streicher - als Divertimenti unter den Streichquartetten und sind mehr oder weniger vergessen, ähnlich und sehr zu Unrecht wie die fröhen Streichquartette. Mozart schuf die Werke KV 136-138 im Jahr 1772, also mit 16 Jahren. Sie atmen, ihrer Bestimmung entsprechend, italienischen Geist, tragen aber durchaus den Stempel es jungen Mozart. Da sie för Orchester bestimmt und somit chorisch zu besetzen sind, fehlen ihnen quartettische Zöge und Linienföhrung.
Die vorliegende Ausgabe dient dazu, diese Werke aus der Nähe der Quartette fortzuröcken und sie dem sinfonischen Schaffen einzugliedern, um sie vor allem för Schulorchester, Collegia musica und Spielkreise, die öber keine Bläser verfögen, bereitzustellen.
Artikulation und dynamische Bezeichnungen sind in geringem Umfang ergänzt, wenige fehlerhafte Aufzeichnungen berichtigt. Nach der Gesamtausgabe ist in der 1. Sinfonie im 3. Takt der ersten und zweiten Violine und an ähnlichen Stellen der gesamte Takt auf nur einem Bogenstrich zu spielen. Der Triller ist immer mit Nachschlag zu verstehen. Die Werke Mozarts för Streichorchester mügen hiermit eine Bereicherung erfahren, deren Lohn bereits beim ersten Durchspielen deutlich wird.