Schwelgerisches Singen – Robert Schumanns Cellokonzert
Ein «durchaus heiteres Stück» sei es geworden, schrieb Schumann dem Verlag Breitkopf&Härtel, und ergänzte: «Ich glaube, dass gerade, da so wenig Compositionen für dieses Instrument geschrieben werden, der Absatz ein den Wünschen entsprechender sein wird.» Der Optimismus der Ankündigung entspricht einer optimistischen Lebensphase. Schumann hatte soeben seine Stelle als städtischer Musikdirektor Düsseldorfs angetreten, als er im Herbst 1850 nicht nur die Rheinische Sinfonie, sondern innert weniger Tage auch das Konzert für Cello und Orchester op. 129 niederschrieb. Die Zuversicht sollte sich aber nicht nur in Bezug auf die berufliche Perspektive, sondern erst recht auf das Cellokonzert bald in Ernüchterung wandeln. Der Cellist Robert Emil Bockmühl, den sich Schumann als Interpreten gewünscht hatte, verweigerte sich dem Stück, das er zu wenig «klingend und melodiös» fand. Eine Uraufführung erlebte Schumann nicht mehr, und nach seinem Tod wurde es bald zu den angeblich unter der schon anhebenden geistigen Umnachtung Schumanns weniger geglückten späten Werken gezählt – einer der verwunderlicheren Aspekte in Schumanns wechselhafter Rezeptionsgeschichte. Die grosse Popularität, die das Konzert im 20. Jahrhundert schliesslich doch erlangte, beruht unter anderem indessen genau auf dem von Schumann vorhergesagten Punkt: Das Repertoire an romantischen Werken für Cello und Orchester ist nicht allzu gross – und schon gar nicht an derart dankbaren! Wenige Einleitungstakte mit einer schlichten harmonischen Kadenz genügen, und das Soloinstrument darf sich bereits mit jener Fähigkeit in Szene setzen, die ihm wie keinem anderen eigen ist: mit Gesang. Mit einem romantisch sehnenden Thema also, dem in der Folge zwar zwei weitere zur Seite gestellt werden, das aber mit seiner fantasieartigen Ausbreitung Charakter und Wirkung des ganzen Satzes dominiert. Und erst recht ist der zweite Satz ganz dem schwelgerischen Singen gewidmet, zu dem sich das Cello in wahrhaft himmlisch schöner Melodik aufschwingt. Das durchsichtig gesetzte Orchester mit weich schwebendem Streicherteppich und feinsinnigen Bläsereinwürfen bietet dabei eine der zahlreichen Stellen, die den verbreiteten (übrigens auch gegen die vierte Sinfonie erhobenen) Vorwurf widerlegen, Schumanns Instrumentierungskünste seien bescheiden gewesen. Und wenn sich das Solo zuletzt aus dem beseelten Gesang zu rezitativisch beredter Gestik ermannt, um damit den Übergang zum ohne Pause anschliessenden Finale einzuleiten, so zeigt sich eine weitere Facette des überaus vielfältig und kennerhaft (wenn auch eben nicht nach Bockmühls vordergründigen Virtuosenvorstellungen) verwerteten cellistischen Potenzials. Und nichts anderes als formal konsequent ist es, dass nach so langer aufs Solo fokussierter Aufmerksamkeit ein Schlusssatz anhebt, der den Erwartungen eines virtuosen Widerspiels zwischen Einzelnem und Orchesterkollektiv nun tatsächlich Genüge tut und dabei auch eine brillante Solokadenz nicht verschmäht: «Durchaus heiter», wie es der zuversichtliche Schumann seinem Publikum eigentlich zugedacht hatte.
©Michael Eidenbenz