Ein obligates Hexenballett – Giuseppe Verdis «Ballo» aus «Macbeth»
Achtzehn Jahre alt war Giuseppe Verdis erste Shakespeare-Adaption bereits, als er 1865 das bis dahin wenig erfolgreiche Stück für die Pariser Oper neu bearbeitete. Die Revision wurde zu einer tief greifenden Neufassung, durch die Verdi den Misserfolg des Macbeth, «den ich mehr liebe als all meine übrigen Opern» (1847) zu korrigieren hoffte. Der äussere Anlass für die Bearbeitung war gewöhnlich: Zur Pariser Operntradition gehörte zwingend eine Balletteinlage, man hatte von Verdi also bloss verlangt, eine solche nachzuliefern. Diese im Sinne der Pariser Tradition nur einem konventionellen, die Dramatik unterbrechenden Augenschmaus dienende Pflichtübung hat Verdi in verschiedenen Werken vor Probleme gestellt. Wie der Komponist, der Kompromisse hasste wie kaum ein anderer, die Pflicht aber in eine dem Ganzen dienende Kür umzuwandeln wusste, zeigt Macbeth beispielhaft: Eingefügt wurde die Tanzeinlage in den dritten Akt, direkt im Anschluss an den eröffnenden Hexenchor Tre volte miagola la gatta in fregola. Es werden also auch die Hexen sein, die anschliessend tanzen, und damit hat Verdi das Prinzip konsequent weiter geführt, mit dem Macbeth von Anfang an schon aufhorchen liess. Denn auch der Anfangschor des ganzen Werks ist den Hexen zugedacht, und nicht den sonst üblichen Gästen, Höflingen, Soldaten oder wen immer ein Libretto als «Volk» vorgesehen hatte. Die unheilvolle, düstere, somnambul-gewalttätige Atmosphäre des Macbeth (der auch auf eine tenorale Paradepartie verzichtet und von der Sopranistin eine «raue, erstickte, hohle Stimme» verlangt) wird damit von Beginn weg eingeführt – und durch die neue Balletteinlage zwei Akte später nicht im Mindesten relativiert. Sie ist die beste in Verdis Frühwerk und ist, losgelöst vom dramatischen Kontext, längst auch als Konzert- und Zugabenhit populär geworden. Die meisterhafte Instrumentierung, die energisch dunklen Klangfarben des Beginns und darauf das Aufblühen eines von Cello und Fagott parallel geführten Traums von einer Verdi-Melodie haben sich in der Publikumsgunst ebenso etabliert wie der von rhythmischer Unregelmässigkeit aufgeschüttelte Walzer und seine furiose Vivacissimo-Übersteigerung zum Schluss – ein wahrhaft verhexender Leckerbissen!