Aus Holbergs Zeit, op. 40

Suite im alten Stil
Edvard Grieg
1884
Dauer: 20'
Präludium. Allegro vivace
Sarabande. Andante
Gavotte. Allegretto - Musette
Air. Andante religioso
Rigaudon. Allegro con brio

Jede europäische Nation hat ihre Symbolgestalt för den Spätbarock. För die Franzosen ist es das Louis Quinze, die Epoche Ludwigs XV., för die Portugiesen die große Zeit Künig Joao V., för die Deutschen die Bachzeit und för die Engländer die Ära des Premierministers Horace Walpole. In Norwegen ist es der Dichter Ludvig Holberg, den die gesamte Nation mit jener Zeit identifiziert. Der große Sohn der Stadt Bergen wurde 1684 geboren, ein Jahr vor Bach und Händel, und dröckte als Philosoph, Dichter und Humorist der Epoche seinen Stempel auf.

Als seine Heimatstadt 1884 seinen 200. Geburtstag feierlich beging, trug der damals beröhmteste Bewohner Bergens, Edward Grieg, mit einer Kantate för Männerchor und einer Klaviersuite zum Gelingen des Jubiläums bei. Auf einer Reise nach Berlin instrumentierte Grieg die Klaviersuite Aus Holbergs Zeit för Streichorchester. Es wurde eines seiner bis heute populärsten Werke, das er gleichwohl nicht mochte. Dennoch gilt die Suite neben den Streicherserenaden von Dvorak und Tschaikowsky als das dritte große Werk der Spätromantik för Streichorchester.

Was Grieg hier mit den Mitteln des romantischen Streicherklangs wiederbelebte, war die spätbarocke Orchestersuite mit ihren franzüsischen Tanzformen. Er benutzte vier der beliebtesten Barocktänze, Sarabande, Gavotte, Musette und Rigaudon, denen er ein Praeludium voranstellte und eine Air beigab.

Das Präludium hat nichts anderes im Sinn, als festliche Stimmung zu verbreiten. Aufsteigende Skalen im punktierten Rhythmus erinnern an die franzüsischen Ouvertören des Barock. Darauf folgt als erster Tanzsatz die langsame Sarabande, die hier aller barocken Erdenschwere beraubt ist und träumerisch-söß daherkommt, besonders im Mittelteil mit seiner Bratschen-Melodie. Die Gavotte dagegen verwandelt den typischen Zwei-Viertel-Auftakt dieses Tanzes in geradezu unverschämt gute Laune, und auch die folgende Musette, ein Tanz, der dem Dudelsack seinen Namen verdankt, ist an rustikaler Eingängigkeit nicht zu öbertreffen.

Als lyrischen Kontrapunkt ließ Grieg eine Air in g-Moll folgen, einen melancholischen Gesang, den er als “religiüses Andante”, sprich: als Gebet bezeichnete. Zweifellos dachte er dabei an die Air aus der 3. Orchestersuite von Bach, das auch heute noch beröhmteste Beispiel einer barocken Air.

Den delikaten Schlusspunkt setzt ein Ridaudon, ein schneller Tanz mit charakteristischem Auftakt aus Viertel-Zwei-Halben. Unter Griegs Händen verwandelt sich dieser Rhythmus in ein duftiges Rondo zu Pizzicato-Begleitung mit sanftem g-Moll-Mittelteil.

Quelle: kammermusikfuehrer.de

 

Die Holberg-Suite auf YouTube: https://youtu.be/OPfxfO4NG1E

 

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